top of page

Bin ich schuld? Wie du aufhörst, Verantwortung für fremde Gefühle zu übernehmen –

Es beginnt oft mit einem kleinen Stich im Bauch. Eine Kollegin verzieht das Gesicht, ein Partner hebt die Stimme, eine Freundin ist sichtlich verärgert – und schon entsteht im Inneren ein Reflex: Habe ich etwas falsch gemacht? Dieses automatische Zusammenzucken, das Gefühl von Schuld oder der Impuls, zu beschwichtigen, ist für viele Menschen ein vertrauter Begleiter.

Doch was passiert da eigentlich – und wie lässt sich dieser Mechanismus bewusst verändern?

Wege zu Gelassenheit
Wege zu Gelassenheit

Alte Prägungen, alte Schutzstrategien

Hinter dem Impuls, bei Ärger im Umfeld sofort in die Verantwortung zu gehen, steckt oft eine tiefe Sehnsucht nach Harmonie und Sicherheit. In der Kindheit war es möglicherweise gefährlich oder zumindest unangenehm, wenn die Erwachsenen in Aufruhr waren. Also wurde früh gelernt: Wenn alle ruhig und zufrieden sind, ist es sicher.

Aus dieser Strategie wurde eine unbewusste Lebensregel: Ich muss schauen, dass es allen gut geht. Und damit verbunden ein Automatismus – zu beschwichtigen, zu reparieren, sich selbst in Frage zu stellen.


Zwei klassische Reaktionen auf Ärger

In solchen Momenten laufen oft zwei innere Prozesse gleichzeitig ab:

  1. Selbstverurteilung: Der Gedanke „Ich bin schuld“ oder „Ich habe etwas falsch gemacht“ dominiert. Der Körper spannt sich an, ein Rechtfertigungsimpuls entsteht – verbal oder nonverbal. Der Versuch zu beschwichtigen.

  2. Verurteilung des Anderen: Um sich selbst zu entlasten, wird das Verhalten der anderen Person abgewertet: „Was ist denn mit der/dem los?“ Auch das schafft Distanz – allerdings keine echte Verbindung.

Beide Reaktionen führen weg von Kontakt und Präsenz. Sie führen in ein Ping-Pong aus Schuld und Verteidigung – ein Muster, das in vielen Beziehungen viel Energie bindet.


Der Ausweg: Präsenz statt Reaktion

Ein erster Schritt in die Veränderung ist die Erkenntnis: Nicht alles, was Menschen fühlen, hat etwas mit mir zu tun. Manchmal ist es schlicht "not my business"!

Ein innerer Schritt zurück – ein bewusstes Innehalten – kann hier viel bewirken. Die Haltung des Beobachtens, ohne sofort zu bewerten oder einzugreifen, schafft Raum. Raum, um wahrzunehmen, was beim anderen gerade wirklich los ist.

Marshall Rosenberg, Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, formulierte es augenzwinkernd so: „Enjoy people freaking out.“

Nicht im Sinne von Schadenfreude – sondern im Sinne von innerer Gelassenheit und neugierigem Mitgefühl: Aha, interessant, was passiert da gerade bei dir?


Auslöser: ja – dafür verantwortlich: nein

Die zentrale Unterscheidung liegt in der Frage: Bin ich Auslöser oder verantwortlich?

  • Wenn ein Verhalten bei einer anderen Person Ärger, Traurigkeit oder Wut auslöst, ist das ein Zeichen für eine Berührung eines unerfüllten Bedürfnisses bei ihr.

  • Die Verantwortung für dieses Gefühl liegt jedoch nicht beim Auslöser, sondern bei der betroffenen Person selbst.

Diese Unterscheidung ist nicht nur ein mentales Konzept – sie will emotional verkörpert und ausgehalten werden. Denn es kann unangenehm sein, wenn sich jemand über das eigene Verhalten ärgert. Doch genau hier beginnt empathische Präsenz.


Klarheit in der Verantwortung heißt nicht: Egalhaltung

Klarheit ermöglicht Präsenz statt, sich abzuwenden oder emotionslos zu bleiben. Es geht darum, dem anderen das eigene Gefühl zu lassen – und gleichzeitig verbunden zu bleiben.

In der Praxis kann das heißen:

  • Zuhören, was das Verhalten ausgelöst hat.

  • Raum geben für Ärger, Trauer oder Frust.

  • Sich nicht schuldig fühlen – und trotzdem empathisch bleiben.

  • Nachzufragen: Was hat mein Verhalten bei dir ausgelöst? Nicht: Was habe ich falsch gemacht?

So entsteht echte Verbindung – ohne in alte Muster aus Schuld, Abwehr oder Harmoniesucht zu rutschen.


Eine neue Qualität von Beziehung

Wenn es gelingt, dem anderen sein Gefühl zu lassen und gleichzeitig im Dialog zu bleiben, entsteht ein neues Miteinander. Ein Dialog auf Augenhöhe, in dem beiderseitige Bedürfnisse Platz haben – ohne Schuldzuweisung und ohne Selbstverrat.

Das bedeutet auch: nicht reflexartig zu handeln, sondern bewusst zu wählen, ob eine Veränderung des Verhaltens aus Verantwortungsgefühl oder aus echter Verbindung heraus geschieht.


Zusammengefasst: Drei Schritte zur Klarheit

  1. Beobachten statt bewerten: Was passiert gerade – bei mir, bei der anderen Person?

  2. Distanz schaffen: Ein innerer Schritt zurück öffnet Raum für echte Wahrnehmung.

  3. Verantwortung klären: Was ist mein Anteil (Auslöser)? Was ist deins (Gefühl, Bedürfnis)? Daraus entsteht ein neuer Handlungsspielraum statt ein altes Reaktionsmuster.


Vertiefung & Begleitung: Wenn du diesen Tanz von Verantwortung und Verbindung lernen möchtest:


Komm in den Wachstum Circle. Die nächste Start ist am 14. September in Wien. Mehr Infos auf: www.gewaltfrei-wien.com/wachstumcircle-


Oder buche direkt ein kostenfreies Empathiegespräch um mal gemeinsam auf diese alten Muster zu schauen


Ich freu mich auf Dich!


Deine Brigitte

 
 
 

コメント


bottom of page